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Ortsgeschichte Lohnde
Im Jahr 1992 konnte Lohnde auf eine 750jährige Ortsgeschichte zurückblicken, was seinerzeit gebührend gefeiert wurde.
Erste Erwähnung der Siedlung
Ausgangspunkt für das Jubiläum ist eine Urkunde des Jahres 1242: Die Grafen von Schauenburg (heute Schaumburg) schenkten der 1196 ein Stück leineaufwärts von den Grafen von Roden gestifteten Klosterkirche Marienwerder aus ihrem Besitz einen größeren Hof (Curie) in Lohnde.
Wenn eine solche Urkunde ausgestellt wird und ein Hof mit Ländereien den Besitzer wechselt, gibt es die betreffende Siedlung natürlich schon länger. Und wenn sich eine adlige Familie nach ihrem Wohnsitz "von Lon(a)" nennt, ist das ebenfalls ein deutlicher Hinweis. Ein Hermann von Lon taucht vor 1242 Anfang des 13. Jahrhunderts in nicht genau datierten Urkunden auf, ebenso ein Ludolf von Lon, und bis heute ist in der Seelzer Kirche St. Martin ein undatierter Grabstein erhalten, der wohl um 1230 für die jung verstorbene Mechthild von Lona gesetzt wurde.
Anders als bei der Vorbereitung des Ortsjubiläums 1992 wissen wir heute von einer noch früheren Urkunde aus dem Jahr 1211, in welcher die Siedlung Lohnde erwähnt wird. Weitere Urkunden, in denen Angehörige der adeligen Familie „von Lohnde“ als Zeugen genannt werden, weisen bis ins 12. Jahrhundert zurück.
In Lohnde und seiner Feldmark tauchten immer wieder vor- und frühgeschichtliche Fundstücke aus der Tiefe auf. Hier sammelt Fritz Möller im April 1953 hochgepflügte Tonscherben einer eisenzeitlichen Urne ein.
Der Ortsname
Aus den umfangreichen Erörterungen der Ortsnamenexperten Ohainski und Udolph (Ortsnamenbuch für die Region Hannover) über die in der Literatur zu findenden vielfältigen Interpretationsansätze zum Namen Lohnde (früher Lon, Lona, Lone, Lohne) sei hier nur ihr Resumée wiedergegeben. Die Autoren halten den in Norddeutschland häufiger nachzuweisenden Ausdruck lohne = Wasserlauf oder Abzugsgraben (der Lohnder Bach?) für den wahrscheinlichsten Kern einer Deutung; folglich würde Lohnde etwa "Siedlung am Wasserlauf" bedeuten.
Jahrhunderte im Kirchspiel Seelze
Der Lohnder Kreuzstein, der heute in der Krummen Masch am Fuß der Rampe zur Kanalbrücke steht, soll an den gewaltsamen Tod Dietrich von Mandelslohs 1395 erinnern, der von seiner Burg Ricklingen aus jahrzehntelang die Leineschiffahrt unsicher gemacht hatte. Hier zwischen Lohnde und Seelze soll er von dem Welfenherzog Heinrich erstochen worden sein. Auf einer in neuerer Zeit angebrachten Schrifttafel wird fälschlich 1385 als Zeitpunkt des Geschehens angegeben. (Foto: Uwe Bärwaldt 2009)
Lohnde hatte, wie aus dem Begräbnisort der Mechthild von Lona ersichtlich, keine eigene Kirche und war seit dem Mittelalter gemeinsam mit fünf weiteren Dörfern nach Seelze eingepfarrt. Auf dem dortigen Kirchhof, ab 1859 auf dem Friedhof an der Hannoverschen Straße begruben die Lohnder ihre Toten, bis 1932 ein eigener Friedhof im Südwesten des Dorfes angelegt werden konnte, der 1947 auch eine Leichenhalle erhielt. (Bis dahin mußten die Toten bis zum Begräbnis im Hause aufgebahrt werden.) 1991 wurde eine neue, größere Friedhofskapelle errichtet. Selbständige Kirchengemeinde wurde Lohnde mit der Kirche Zum barmherzigen Samariter 1963.
Die Einwohner im 16./17. Jahrhundert
Am 20. Juli 1585 mußten die Calenberger Bauern zu einer Musterung ihrer Wehrhaftigkeit in Neustadt antreten, je nach Hofklasse zumeist mit einem Rohr (Vorderladergewehr) oder einem Federspieß bewaffnet. Nach der Calenbergischen Musterungsrolle gab es seinerzeit in Lohnde 27 männliche "Haushaltsvorstände", wie wir heute vielleicht sagen würden, wovon einer als "Häusling" zur Miete wohnte.
Diese Größenordnung des damaligen Dorfes wird vom 1600 aufgestellten Lagerbuch des Amtes Blumenau in etwa bestätigt. Es beschreibt 25 Höfe, von denen aber nur zwölf über genügend Land verfügten, um allein davon den Lebensunterhalt der Bewohner zu bestreiten. Aus der Musterungsrolle von 1585 geht hervor, daß es damals schon einen Schmied in Lohnde gab. Seit etwa den 1630er Jahren hat es außerdem einen Dorfkrug gegeben.
Aus einer Kopfsteuerliste von 1689 erfahren wir erstmals eine konkrete Einwohnerzahl. Auf nunmehr 28 Hofstellen lebten demnach 192 Personen.
Der Füllenwerder
Namentlich genannt wird in der Kopfsteuerliste auch der achtzigjährige Brinksitzer Henni Uhlen als "seiner Durchlaucht Fohlenhirte". Der heute so genannte Lohnder Wall bildete damals noch eine Insel in der Leine, in der Kurhannoverschen Landesaufnahme 1781 als Füllenwerder (Fohleninsel) bezeichnet. Sie gehörte dem Landesherrn und war zur Betreuung der dort weidenden Fohlen nur mit einem Boot erreichbar.
Lohnde nach der Kurhannoverschen Landesaufnahme 1781. Der Füllenwerder (Lohnder Wall) mit dem Fohlenwärterhaus ist noch eine richtige Insel. Dort stand am dorfseitigen Leineufer die 1658 abgebrochene Wassermühle. Die Leineschleife östlich des Dorfes ist noch nicht abgeschnitten. Dort stand bis 1490 die Niedermühle.
Wind- und Wassermühlen
Urkunden des 13. Jahrhunderts erwähnen eine Wassermühle, die nach Seelze zu in der Lohnder Gemarkung gelegen haben könnte. Eine abgeschnittene Leineschleife zwischen Lohnde und Seelze heißt bis heute An der Niedermühle. Diese "Niedermühle" ist offenbar 1490 abgebrannt.
1456 wird eine weitere Lohnder Wassermühle urkundlich genannt, die am Lohnder Wall gelegen haben muß. Diese Mühle ist 1658 abgebrochen worden. Der nördlich den Lohnder Wall bzw. Füllenwerder umfassende Nebenarm der Leine hatte wohl der Leineschiffahrt zur Umfahrung der Mühle gedient. Vermutlich wurde die Insel mit dem im Laufe der Zeit verlandenden Nebenarm erst nach Abbruch der Wassermühle vom landesherrlichen Marstall Hannover zur Fohlenaufzucht genutzt.
Im Südosten des Dorfes, zwischen der Chaussee nach Seelze und der seit 1847 dort verlaufenden Eisenbahnstrecke erbaute Georg Schlette 1876 eine Windmühle, die viele Jahrzehnte die Silhouette des Dorfes mit prägte (Standort vom neuen Sperrtor aus gesehen direkt jenseits des Mittellandkanals in der Krummen Masch). 1934 mußte Schlette die Mühle verkaufen; in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre wurde sie stillgelegt und teilweise zur Ausbesserung der Mardorfer Mühle verwendet.
Leinefähre und -brücke
Es gibt Hinweise, daß Anfang des 17. Jahrhunderts in Lohnde eine Brücke über die Leine existierte, die 1627 durch Eisgang zerstört, danach anscheinend wiederhergestellt wurde. Dann verliert sich die Überlieferung im Dreißigjährigen Krieg. Sicher wissen wir dann wieder von einer Fähre, deren Betrieb 1698 genehmigt wurde. 1912 bis 1914 wurde sie durch die heute unter Denkmalschutz stehende Stahlbetonbrücke ersetzt. Damals gehörte Lohnde (gemeinsam mit allen heutigen Seelzer Stadtteilen mit Ausnahme von Dedensen) zum Landkreis Linden, und die Brücke wurde nach einem Lindener Landrat Roßmannbrücke genannt. Dieser Name ist jedoch nie volkstümlich geworden, und so wurde sie 1990 in Lohnder Leinebrücke umbenannt.
Herrenpartie mit dem Lohnder Fährkahn Anfang des 20. Jahrhunderts.
Die Leinebrücke um 1980 (Foto Heini Ludewig)
Johann und Georg Egestorff
Johann Egestorff (1772-1834), Sohn eines Lohnder Leinefischers, wie er sich mit knapp sechzig Jahren von Burchard Giesewell malen ließ.
In Lohnde gab es auch eine Leinefischerei, die schon im Mittelalter vom Kloster Marienwerder verpachtet wurde. Leinefischer (und Fährmänner) waren im 18. Jahrhundert die Egestorffs, Brinksitzer Nr. 24, und auf diesem Hof wurde 1772 Lohndes berühmtester Sohn geboren: Johann Egestorff, genannt Kalkjohann. Nach einer Böttcherlehre begann er seine Unternehmungen mit einem Kalksteinbruch am Lindener Berg, wo er sich 1825 von Georg Laves eine gediegene Villa errichten ließ, erwarb Kohlegruben im Deister, wurde zu einem der ersten modernen Unternehmer im Raum Hannover und bald zu einem der reichsten Männer Lindens. Sein Sohn Georg gründete dort eine Eisengießerei und Maschinenfabrik (die spätere Hanomag), in der u.a. Hunderte von Dampflokomotiven gebaut wurden, die dann auch an Lohnde vorbeidampften, wo sein Großvater einst Leinefischer gewesen war.
Ausführliche Informationen zu Johann Egestorff finden Sie hier: Biografie Johann Egestorf
Dorfschule seit 300 Jahren
Ab 1584 sollten die Kinder aus Lohnde in die Kirchspielschule auf dem Seelzer Kirchhof gehen. Erst kurz nach 1700 (eine genaue Jahreszahl ist nicht überliefert) wurde etwa am Standort des heutigen Bürgerhauses eine eigene Schule für die unteren Jahrgänge eingerichtet. Hier ging auch Johann Egestorff zur Schule, allerdings wohl nicht besonders regelmäßig. Denn schon im Kindesalter arbeitete er als Dienstjunge auf dem Hof Nr. 5, was damals nicht ungewöhnlich war. Zeit seines Lebens konnte er nur mit Mühe seinen Namen schreiben, doch das Kopfrechnen hatte er anscheinend hervorragend gelernt.
Im Laufe der Jahrhunderte gab es zahlreiche Um- und Neubauten der Schule sowie organisatorische Veränderungen. In der dörflichen Volksschule des 19. und 20. Jahrhunderts wurden acht Jahrgänge von einem Lehrer in einem Raum unterrichtet; das war auch in Lohnde die meiste Zeit so.
In den 1960er Jahren wurde die Lohnder Schule erst auf sechs, dann auf vier Jahrgänge reduziert.
Das alte Schulhaus auf dem Eckgrundstück Theodor-Heuss-Straße, Lohnder Straße mußte 1974 dem Neubau des Bürgerhauses weichen.
Eingriffe in die Landschaft
Die großen Eingriffe in die Landschaft seit Mitte des 19. Jahrhunderts haben sich für Lohnde besonders gravierend ausgewirkt. Mit der Eisenbahn 1847 wurde die Gemarkung erstmals durchschnitten, das Dorf wurde vom Lohnder Holz abgetrennt. Mit dem Bau des Seelzer Rangierbahnhofs (1906/09), der sich bis auf Lohnder Gebiet ausdehnte, und der Beseitigung der ebenerdigen Bahnübergänge wurde diese Barriere immer wirkungsvoller.
Wenige Jahre später prägte die Großbaustelle des Mittellandkanals mit südlichem Abzweig zum Lindener Hafen das Dorfleben. Mit der Flutung der Kanäle 1916 waren die südliche Gemarkung und das Lohnder Holz nur noch über eine Brücke zu erreichen. Darüber hinaus zeschnitt der Hauptkanal die alte Straßenverbindung nach Seelze und erforderte eine Überbrückung mit weit ausgreifenden Anfahrtrampen.
Eisenbahn und Mittellandkanal prägen seit über hundert Jahren das Lohnder Ortsbild. Hier ein Blick vom Südufer des Kanals auf die gerade erneuerte Brücke zwischen "Lohnder Meer" (Abzweig des Lindener Zweigkanals vom Hauptkanal) und neuem Sperrtor 1977.
Hilfreich erwies sich der Mittellandkanal für den Kiesabbau in der Ohe im Westen des Dorfes ab 1921. Eine Lorenbahn beförderte den Kies von den heutigen Kiesteichen zum Kanal, wo er auf Schiffe verladen wurde, die ihn zum Lindener Hafen brachten. Noch in den 1950er Jahren wurde in der Ohe mit einem Saugbagger gearbeitet.
Beim Kiesabbau in der Ohe wurden aus etwa 15 Meter Tiefe immer wieder versteinerte Knochen von Ur, Mammut und Waldelefant geborgen. Die abgebildeten Knochen verstopften 1956 die Saugpumpe.
Bevölkerungs- und Ortsentwicklung bis heute
Im 18. Jahrhundert lag die Einwohnerzahl recht konstant bei gut 200, 1821 war sie auf 280 angewachsen und stieg bis 1900 weiter auf rund 400. Der Bau großer Industriebetriebe und des Rangierbahnhofs im benachbarten Seelze und vor allem der Zuzug von deutschen Umsiedlern (Eisenbahnerfamilien) aus dem bis 1918 deutschen, dann polnischen Westpreußen (u.a. Provinz Posen) ließen die Zahl bis 1925 auf über 700 hochschnellen. Dutzende Eisenbahnerfamilien lebten in einer Barackensiedlung im Kanaldreieck ("Depot" oder "Sammelbahnhof" genannt).
Mit dem Zustrom von Flüchtlingen und Vertriebenen am Ende des 2. Weltkriegs war schnell die Tausendergrenze überschritten (1946 bis 1960 zwischen 1.100 und 1.200). In den 1960er Jahren gab es einen kontinuierlichen Anstieg von 1.200 auf 2.000 Einwohner/innen, und Ende der 1980er Jahre waren es knapp 3.000. Heute (2019) hat Lohnde rund 2.700 Einwohner/innen.
Mit Bildung der Großgemeinde (ab 1977 Stadt) Seelze verlor Lohnde 1974 seine Selbständigkeit. Seit dem Mittelalter hatte man mit den Bauern der anderen sechs Kirchspieldörfer den Gottesdienst in der Seelzer Kirche besucht, Jahrhunderte lang hatte man mit den umliegenden Dörfern gemeinsam zum Amt Blumenau und zum Landkreis Linden gehört - nun wuchsen die Dörfer allmählich zu einer Stadt zusammen.
Norbert Saul, Stadtarchiv
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