Inhaltsbereich
Ortsgeschichte Letter
Von allen Dörfern, die 1974 unter dem Namen Seelze zu einer Großgemeinde zusammengeschlossen wurden, hat Letter in seiner Geschichte den wohl auffälligsten Wandel erlebt.
Ein bemerkenswertes Wachstum
Drei Bevölkerungszahlen mögen die bemerkenswerten Veränderungen verdeutlichen. Rund 250 Einwohner hatte Letter 1847, als die Eisenbahn von Hannover nach Minden erstmals südlich des Dorfes vorbeischnaufte. Mit dieser Größe und einer durchweg bäuerlichen Struktur stand die kleine Gemeinde auf einer Stufe mit Almhorst, Döteberg und Kirchwehren. Hundert Jahre später lebten rund 6.000 Menschen in Letter und heute (2019) sind es rund 11.000. Dieses ungewöhnliche Wachstum hat vor allem mit der Eisenbahn zu tun. Bevor wir diese Entwicklung jedoch etwas genauer betrachten, blicken wir zurück in die Frühzeit des Dorfes.
Älteste Urkunde von 1178
Die älteste uns bekannte Urkunde, in der Letter erwähnt wird, ist ein päpstlicher Schutzbrief für das Kloster Heiningen und dessen Besitztümer, wozu damals auch Land und Höfe in Letter gehörten. Die Siedlung wird seinerzeit aus vielleicht 5 bis 10 auf dem hochwassersicheren Ufer der Leine (an der heutigen Stöckener Straße) aufgereihten Höfen bestanden haben. Nachdem die Grafen von Roden 1196 nordwestlich von Letter, direkt am jenseitigen Leineufer das Augustinerkloster Marienwerder gestiftet hatten, gelangten die letterschen Bauernhöfe bis 1294 nach und nach vollständig in den Besitz dieses Klosters.
Um 1400 bestand Letter, wie wir aus einem Kornregister wissen, aus mindestens zehn Höfen; für das Jahr 1600 listet das Lagerbuch des Amtes Blumenau zehn Meierhöfe und zehn Kötnerstellen auf. Und nach einer Kopfsteuerliste von 1689 lebten in Letter zu jener Zeit 157 Personen auf 23 Höfen.
Abseits im Leinebogen gelegen
Diese Bauernhöfe lagen jahrhundertelang ein ganzes Stück abseits der Landstraße, die, von Ahlem kommend, nach Seelze und Wunstorf führte. Es gab wohl Wege, die Richtung Kloster Marienwerder und Richtung Stöcken führten, aber sie endeten immer an der Leine. Erst 1752 wurde eine kleine Fähre nach Stöcken hinüber eingerichtet, die aber nur jene Stöckener Bauern befördern sollte, die diesseits der Leine Ländereien hatten. Diese Fähre an der Stöckener Klappenburg wurde erst 1936 durch eine erste Holzbrücke ersetzt. Und noch einmal gut 20 Jahre dauerte es, bis zwischen Letter und dieser Brücke eine einigermaßen befahrbare Straße gebaut wurde.
(Hierzu ein Text von Heinrich Tiefuhr aus den Seelzer Geschichtsblättern als PDF siehe unten).
An der Stöckener Klappenburg, wo heute täglich Tausende von Kraftwagen über eine breite Brücke rollen, gab es bis 1936 nur eine kleine Fähre. Sie war jahrhundertelang die einzige Möglichkeit für Letteraner, die Leine zu überschreiten.
Diese Holzbrücke über die Leine nach Stöcken hinüber ersetzte 1936 die Klappenburgfähre.
Kirche und Schule
Zur Kirche gingen die Letteraner seit Menschengedenken nach Seelze, und ab 1584 sollten die Kinder dort in die Kirchspielschule gehen. 1700 bekam Letter eine eigene kleine Dorfschule, so daß heute die örtlichen Schulen auf eine über dreihundertjährige Geschichte zurückblicken können.
1735 wurde an der Dorfstraße (heute Stöckener Straße) nahe dem Abzweig ,Im Sande' eine kleine Fachwerkkapelle errichtet. 150 Jahre später mußte sie wegen Baufälligkeit gesperrt werden, und als sie 1900 abgerissen wurde, stellte sich heraus, daß sie versehentlich niemals offiziell geweiht worden war.
Nach dem großen Bevölkerungszuzug von Flüchtlingen und Vertriebenen in Folge des 2. Weltkriegs wurden 1952 die katholische Kirche St. Maria Rosenkranz und 1955/56 die evangelische Kirche St. Michael gebaut.
Sandabbau
Letters Bauern wirtschafteten auf vorwiegend sandigen Böden mit mageren Erträgen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als im nahen Linden und in Hannover Wohnhäuser und Fabriken in bis dahin nicht gekanntem Ausmaß gebaut wurden, war feiner Bausand plötzlich eine gut bezahlte Ware - und in Letter gab es davon mehr als den Bauern bis vor kurzem lieb gewesen war. Im Dorf und seiner nahen Umgebung wurden zunächst einige Sandhügel vermutlich eiszeitlichen Ursprungs abgetragen, die im Volksmund Hünenhoopen hießen. (Siehe Abbildung Letter um 1780. Dort ist ein Sandhügel etwa dort erkennbar, wo heute die Brüder-Grimm-Schule liegt, ein weiterer ein Stück südlich des Dorfes.)
Anschließend, in den 1880er Jahren, begann Letters Sandkuhlenzeit. An vielen Stellen stieß man schon in etwa einem halben Meter Tiefe auf feinen Kies, und nach und nach wurde aus dem Dorfterrain eine Kuhlenlandschaft. Wo die Gruben später nicht wieder vollständig verfüllt wurden, sind die damals entstandenen Niveauunterschiede noch heute im Dorfbild zu erkennen. Stellenweise wurde in Letter noch bis in die 1950er Jahre Sand abgebaut.
Frühgeschichtliche Funde
Diese in Letters Sandboden geborgene Urne war die Vorlage für die Gestaltung des Ortswappens.
Begünstigt durch den großflächigen Sandabbau wurden in Letter ungewöhnlich viele Überreste früher Besiedlung gefunden. Dem Lehrer und Heimatforscher Ernst Bock (1880-1961) verdanken wir die Sicherung und wissenschaftliche Dokumentation unzähliger Fundstücke und vieler Ausgrabungen durch das damalige Provinzialmuseum (heute Landesmuseum). Mit beeindruckender Nachweisdichte läßt sich nachvollziehen, daß Menschen seit Tausenden von Jahren auf dem hochwassersicheren Ufer der Leine günstige Lebensbedingungen gefunden haben.
Die Eisenbahn verändert das Dorf
Als 1847 die Bahnstrecke Hannover-Minden-Köln eröffnet wurde, deutete nichts darauf hin, daß von diesem neuen Verkehrsmittel gerade für Letter maßgebliche Entwicklungsimpulse ausgehen sollten. 1878 entstand im nahen Leinhausen ein Ausbesserungswerk der Königlich Preußischen Eisenbahn, und damals kamen die ersten Eisenbahnerfamilien nach Letter. Hier gab es Bauern, die Land für bescheidene Arbeiterhäuser (mit Ziegenstall und großem Gemüsegarten) zu erschwinglichen Preisen verkauften, und der Weg Letter-Leinhausen entlang der Eisenbahn galt damals als normale fußläufige Wegstrecke zur Arbeit.
Doch die wirklich drastischen Veränderungen, von denen eingangs die Rede war, brachte erst der Bau des Rangierbahnhofs zwischen Seelze und Letter 1906-1909 mit sich. Die Eisenbahn arbeitete seinerzeit noch sehr personalintensiv, und anders als heute waren die Menschen bestrebt und größtenteils darauf angewiesen, nicht allzu weit von ihrem Arbeitsort entfernt zu wohnen. So entstand in wenigen Jahren westlich des alten Dorfkerns an der Leine ein ausgedehntes Siedlungsgebiet, das sich bis zum heutigen Verwaltungsgebäude des Rangierbahnhofs (ehemals Übernachtung für fahrendes Personal) erstreckte und im Volksmund Neu-Letter hieß. War die Bevölkerung von 1880 bis 1900 schon von 400 auf 750 angewachsen, so stieg die Zahl 1905 auf 930 und 1910 auf 1.200. 1925 lebten hier 2.300 Menschen, von denen naturgemäß fast 90 Prozent mit dem alten bäuerlichen Dorf (Alt-Letter), welches noch zwei Generationen zuvor abgeschieden im Leinebogen lag, nicht mehr viel zu tun hatten.
Eine Eisenbahnhaltestelle erhielt Letter 1915. Sie wurde Ende der 1990er Jahre, mit dem Bau der S-Bahnstrecke, ein Stück in Richtung Westen verlegt.
Letter wuchs weiter und verdoppelte seine Einwohnerzahl nach dem 2. Weltkrieg noch einmal von 6.000 auf über 12.000 um 1970. Als 1974 aus elf selbständigen Gemeinden die Großgemeinde Seelze gebildet wurde, war Letter die größte dieser Ortschaften. Über 20 Jahre lang war Letters 1939 erbautes Rathaus dann der zentrale Verwaltungssitz für die Großgemeinde und spätere Stadt (seit 1977), bis die Stadtverwaltung 1996 nach Seelze in ein neues Rathaus umzog.
Mit seiner südlichen Gemarkung ist Letter seit dem Bau des Rangierbahnhofs und des Zweigkanals vom Mittellandkanal zum Lindener Hafen (1916 geflutet) nur noch durch eine Straße (Klöcknerstraße) mit Bahnunterführung und Kanalbrücke verbunden. An die alten Siedlungshäuser an der Ahlemer Straße (B 441) und das Wohngebiet Letter-Süd um den ehemaligen Kalkofen (Kalkbrennerei) am Mönckeberg schließt sich seit den 1990er Jahren das Gewerbezentrum Letterholz an.
Die verkehrsgünstige Lage und Nähe zu Hannover haben Letter zu einem beliebten Wohnort im Westen der Landeshauptstadt gemacht. Die Leineaue lädt direkt am Ortsrand zum Spazierengehen und Radfahren ein. Nach Westen zu ist Letter mit Seelze inzwischen fast lückenlos zusammengewachsen, womit die seit dem Mittelalter bestehende Orientierung Letters nach Seelze in der Gegenwart weiterlebt.
Diese in Letters Sandboden geborgene Urne war die Vorlage für die Gestaltung des Ortswappens.
Direkt am Ortsrand beginnt die idyllische Leineaue. Hier der Blick zum Kloster Marienwerder, welches lange Zeit eine besondere Bedeutung für Letter hatte.
Norbert Saul, Stadtarchiv
Haben Sie noch Fragen? Möchten Sie noch weitere Informationen? Dann schauen Sie doch mal im Heimatmuseum Seelze vorbei. Oder wenden Sie sich an das Stadtarchiv.