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Ortsgeschichte Harenberg
Gemeinsam mit dem benachbarten Döteberg könnte Harenberg auf eine spätsächsische Siedlungsperiode etwa des 8. Jahrhunderts zurückgehen. Dafür spricht nach Erkenntnissen der Ortsnamenforschung das Grundwort -berg.
Sichere Erwähnung 1220
Urkunden aus jener Zeit sind uns nicht überliefert, so daß wir sicher erst ab 1220 von der Existenz Harenbergs wissen. (Ob Hildesheimer Urkunden von 1195 und 1211 sich tatsächlich auf "unser" Harenberg beziehen, ist aufgrund der Schreibweise unsicher.) 1220 schenkt ein Oldenburger Adliger dem 1196 wenige Kilometer entfernt errichteten Kloster Marienwerder die Vogtei über ein Haus in Harenberg.
Mittelalterlicher Ortsadel
Schon zu dieser Zeit könnte es in Harenberg eine adlige Familie gegeben haben, die sich nach ihrem Wohnsitz "von Harenberg" nannte. Jedenfalls wird mit unsicherer Datierung um 1220 ein Bernhard von Horenberge im Westfälischen Urkundenbuch genannt. Aus dem frühen 14. Jahrhundert wissen wir sicher, daß die von Harenberg als Ministeriale (Dienstadlige) des Mindener Bischofs von diesem mit mehreren Höfen in Velber belehnt waren.
Der Ortsname: Morast am Berge?
Als geologische Formation ist die Harenberger Höhe eine nördliche Schichtrippe des Benther Sattels, vornehmlich aus "Kalksandstein des Cornbrash" geformt (Käthe Mittelhäußer, Die Siedlungen des Calenberger Landes, Hannover 1983). Darin sieht Heinz Georg Röhrbein (Geschichte der Bauernhöfe 1550-1850, unveröff. Stadtarchiv Seelze) die Ursache dafür, "daß die in Harenberg reichlich sprudelnden Quellen ausschließlich nördlich des Höhenkammes hervortreten und folglich das Dorf in seiner Längsrichtung am Nordrande des Kammes angelegt worden ist".
Reichlich sprudelnde Quellen könnten auch den Ortsnamen erklären. Während -berg keiner weiteren Erläuterung bedarf (wenngleich die Anhöhe - am westlichen Ortsausgang gut 71 m ü. NN - wohl nur bei uns Norddeutschen als "Berg" durchgeht), liegt dem Beiwort Haren- anscheinend eine germanische Wurzel zugrunde, die sich uns heute nicht mehr ohne weiteres erschließt. Die Ortsnamenexperten Ohainski und Udolph gehen in ihrem Ortsnamenbuch für die Region Hannover von dem altsächsischen horu, dem althochdeutschen horo und dem mittelniederdeutschen hôr aus, was etwa Schlamm, Morast, Schmutz, Erde bedeutet.
Harenberg und seine "Außenstellen" nach dem Meßtischblatt 1961. Im Westen die Mühle auf dem Linnenberg, nördlich (Richtung Seelze) die Kolonie Harenberg und der Friedhof, im Osten (Richtung Ahlem) der Einzelhof Kollroths Höhe.
Einst eine Seelzer Kapellengemeinde
Tür der 1882 von Conrad Wilhelm Hase errichteten Kapelle (heute Kirche St. Barbara)
Vermutlich schon seit der Formierung des Kirchspiels Seelze (mutmaßlich im 11. oder 12. Jahrhundert) war Harenberg eine Seelzer Kapellengemeinde. Das heißt, daß die Harenberger Sonntag für Sonntag nach Seelze zur Kirche gingen und dort auch ihre Toten begruben. (Der Friedhof an der Straße nach Seelze wurde erst 1903 angelegt.) In die Kapelle vor Ort kam der Seelzer Pfarrer nur zweimal jährlich zur Messe bzw. zum Gottesdienst, während der Küster wöchentlich Betstunden hielt.
Als der uralte gewohnheitsmäßige Kirchweg der Harenberger Anfang des 20. Jahrhunderts durch das breite Band des Rangierbahnhofs zerschnitten wurde, forderten sie erfolgreich den Bau einer Brücke, die - ursprünglich aus Holz, heute aus Stahl und Beton - am Südende der Döteberger Straße die Gleise überspannt.
Die Kapelle, welche heute den Namen der heiligen Barbara trägt, stammt aus dem Jahr 1882 von dem Baumeister Conrad Wilhelm Hase. Sie ersetzte eine kleine baufällige Fachwerkkapelle, über deren Alter wir nichts wissen. Der geschnitzte Flügelaltar mit seinen Heiligenfiguren (u.a. der heiligen Barbara) stammt offenbar aus vorreformatorischer Zeit, nach Conrad Wolff (Kunstdenkmäler der Provinz Hannover) aus dem frühen 16. Jahrhundert. Ab 1954 wurde in der Kapelle jeden Sonntag Gottesdienst gefeiert, zu dem auch die Döteberger kamen. Fünf Jahre später wurden die beiden Dörfer gemeinsam zur selbständigen Pfarrgemeinde.
Das Dorf im späten Mittelalter
Vom Anfang des 14. Jahrhunderts wissen wir, daß Sigfrid von Harenberg die Immendorfer Zehnteinkünfte gehörten. Die kleine Nachbarsiedlung Immendorf lag dort, wo 1684, als es Immendorf längst nicht mehr gab, die Herren von Lenthe die Harenberger Windmühle in Betrieb nahmen. In der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts kam es im Calenberger Land zu einer Siedlungskonzentration. Die 5 bis 6 Immendorfer Höfe fielen irgendwann in diesem Zeitraum wüst (wurden aufgegeben), ihre Bewohner zogen wahrscheinlich nach Harenberg (und Döteberg?). Die Felder hingegen wurden weiterhin bestellt. 1393 gehörten z.B. zu einem Harenberger Hof 2½ Hufen Landes (soviel wie ein Halbmeierhof) auf dem Immendorfer Feld. Fachleute für Siedlungsgeschichte gehen davon aus, daß Dörfer wie Harenberg um 1400 die Gestalt bekamen, die sie als Kerndorf zumeist bis ins 20. Jahrhundert hinein bewahrten.
Die Bevölkerung von 1600 bis heute
Nach dem Lagerbuch des Amtes Blumenau hatte Harenberg im Jahr 1600 mit 28 Hofstellen eine beträchtliche Größe (zum Vergleich: Seelze hatte mit Gut und Pfarrhof 29 Hofstellen, Letter 20). 17 dieser Höfe verfügten über genügend Land, um von dessen Bewirtschaftung zu leben, die übrigen mußten mit ländlichem Handwerk und anderen Tätigkeiten ihren Lebensunterhalt sichern. Aus einer Steuerliste von 1689 (Harenberg hatte inzwischen 30 Hofstellen) erfahren wir, daß es im Dorf einen Tischler mit einem Lehrjungen gab, drei Schneider, einen Ölmüller sowie Schafmeister, Kuh- und Schweinehirten. Außerdem hatte Harenberg seit 1554 einen vom Landesherrn lizenzierten Dorfkrug. Aus besagter Kopfsteuerliste geht außerdem hervor, daß Ende des 17. Jahrhunderts im Dorf 206 Personen lebten. Bis 1821 stieg die Einwohnerzahl auf 288, mit der Windmühle westlich des Dorfes war eine Hofstelle hinzugekommen (31 + Schule + Hirtenhaus). Bis 1850 wurden noch vier kleine landlose Stellen gegründet.
Mit den grundlegenden Agrarreformen ab den 1830er Jahren und der beginnenden Industrialisierung (Eisenbahn Hannover-Minden 1847, Fabriken in Hannover und Linden) kam allmählich Bewegung in die Dorfstruktur. Eine Steuerliste von 1873 nennt 43 Höfe und Häuser mit 317 BewohnerInnen. Rund zwei Drittel (220) arbeiteten als Familienangehörige (94), Knechte und Mägde (36) und Tagelöhnerfamilien (90 Personen) in und von der Landwirtschaft. Unter den übrigen Einwohnern finden wir viele Handwerker, teils mit Gesellen und Lehrlingen: Schneider, Schuhmacher, Tischler, Rademacher, Zimmerleute, Schmiede, Böttcher, Weber und eine Näherin; ferner Schäfer und Müller, die eng mit der Landwirtschaft verbunden sind, zwei Gastwirte und je einen Lehrer, Milchhändler und Hokenhändler - jedoch noch keine Fabrik- oder Eisenbahnarbeiter. Die Menschen lebten seinerzeit auf engem Raum. Kleine Kötnerhäuser beherbergten z.T. 13 oder 15 Personen (je 3 bis 4 Familien), auf dem Halbmeierhof Nr. 13 lebten sogar 4 Familien mit 18 Köpfen.
In den nächsten 50 Jahren stieg die Einwohnerzahl auf 436 (1925). 1926/28 baute der Bauverein Limmer die "Kolonie" beim Friedhof an der Straße nach Seelze. Der Zuzug an Flüchtlingen nach dem 2. Weltkrieg erforderte weiteren Wohnungsbau, und so wurde 1950/51 mit der Siedlung an der Lenther Chaussee begonnen. 1967 wurde die Tausendeinwohner-Grenze überschritten, und heute (2019) leben ungefähr 1750 Menschen in Harenberg.
Die Harenberger Windmühle mit ihrer ursprünglichen Antriebstechnik. 1684 wurde sie von den Herren von Lenthe errichtet und 1929 an den Müller Karl Meier verkauft (daher der bis heute gebräuchliche Name Meiers Mühle). Ab 1948 wurde sie nur noch mit Elektromotor betrieben, 1974 wurde sie stillgelegt.
Die Harenberger Meile mit dem heutigen Volksbankgebäude. Das Foto muß vor 1913 entstanden sein, da die Ortsdurchfahrt 1913 gepflastert wurde.
Kontinuität und Wandel
Ein zeittypisches Bauernhaus ist diese Harenberger "Rübenburg" von 1898. Solche Wohnhäuser (erstmals wurden sie abgetrennt vom Wirtschaftsbereich gebaut) präsentierten eine bäuerliche Wohlhabenheit, die häufig mit dem neuen lukrativen Zuckerrübenanbau in Verbindung stand.
Im alten Dorfkern hat sich Harenberg stellenweise seinen bäuerlich-dörflichen Charakter bewahren können. Doch wird der erste Eindruck, den Fremde von dem Ort bekommen, wohl häufig von der stark frequentierten Ortsdurchfahrt geprägt. Wer eine Ahnung davon bekommen will, wie das Dorf einst aussah, muß sich in die Seitenstraßen nördlich der Harenberger Meile begeben.
Die 1689 gegründete Dorfschule ist bis heute als Grundschule erhalten, allerdings nicht mehr gegenüber der Kirche, sondern in einem Gebäude aus den 1950er Jahren am südlichen Dorfrand. Wie in allen Calenberger Dörfern spielt die Landwirtschaft eine seit den 1950er Jahren kontinuierlich abnehmende Rolle. Mechanisierung, Chemisierung und der Zwang zu immer größeren Flächen, die mit immer weniger Personalaufwand bewirtschaftet werden, ließen nur wenige Höfe überleben.
1974 brachte die niedersächsische Verwaltungs- und Gebietsreform mit der Integration in die Großgemeinde (ab 1977 Stadt) Seelze das Ende der Selbständigkeit. Trotz der Jahrhunderte währenden Einbindung in das Kirchspiel Seelze fühlten sich viele Harenberger zu diesem Zeitpunkt stärker nach Ahlem und Hannover orientiert als nach Seelze. Und unabhängig von der kommunalen Zugehörigkeit ist der Ort heute tatsächlich vor allem eine beliebte Wohngemeinde vor den Toren Hannovers.
Norbert Saul, Stadtarchiv
Haben Sie noch Fragen? Möchten Sie noch weitere Informationen? Dann schauen Sie doch mal im Heimatmuseum Seelze vorbei. Oder wenden Sie sich an das Stadtarchiv.